Nach zwei Spielfilmen und acht Stunden Schlaf im Flieger empfängt mich Buenos Aires mit regnerischem Wetter und kalten 12 Grad. Südamerika hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Bruno, ein alter Schulfreund von Ricardo sammelt mich am Flughafen ein und wir machen uns in seinem Taxi auf den Weg nach Pilar. Meine Aufgabe hier in Argentinien ist es, die Familie Martinez beim Bau von Rio de Janeiro im Maßstab 1:87 zu unterstützen. Für mich bedeutet das konkret, dass ich die kleinen Gassen und Treppen in den Stadtteilen von Santa Teresa und der Lower Neighberhood gestalten soll. Außerdem werde ich ein paar Testfelsen gipsen, um mit den örtlichen Kollegen das Begrünen zu üben.
Wir kämpfen uns durch den chaotischen Verkehr, wobei mir Bruno versichert, dass es heute recht gut klappt, weil wir aus der Stadt heraus fahren und nicht wie all die anderen Pendler herein. Beim Smalltalken werde ich immer wieder von den vorbei fahrenden Motorrädern, die sich durch den Stau kämpfen, abgelenkt. Nach 30 Minuten Fahrt und netten Gesprächen über die politische Situation, deutsche Kolonien und vieles mehr sagt Bruno mir, dass nun auf der rechten Seite der „Panamerikana“ die Stadt liegt und auf der linken Seite die Provinz beginnt – für mich schwer nachzuvollziehen da alles gleich aussieht. Nach gut einer Stunde Fahrt, an etlichen Wohnhäusern, Shoppingmalls und Fabriken vorbei, erreichen wir das Haus und die Werkstatt der Familie in Villa Rosa, Pilar.
Das große schwere Tor der Einfahrt öffnet sich und ich werde herzlich von Ricardo, seiner Familie und sechs Hunden begrüßt. Die Stimmung ist ausgelassen und herzlich. Nachdem ich mir einen zweiten Pullover und Mütze angezogen habe und von allen Seiten abgeknutscht wurde, führt Peter mich durch die Werkstätten und zeigt mir alles. Am ersten Tag fange ich gleich an, ein paar Testfelsen zu gipsen damit wir die kommenden Tage das Begrünen üben können. Es ist unfassbar kalt und hört für die nächsten fünf Tage höchstens mal für eine Stunde auf zu regnen.
Die ersten Tage vergehen wie im Flug und ich lerne mich in den Räumlichkeiten zurecht zu finden und kann mein Spanisch mit meinen argentinischen Kollegen auffrischen. Wir scherzen herum und haben Spaß. Das erste Wochenende verbringe ich bei der Familie Martinez, ich werde von Zulema bekocht und lerne diverse Kartenspiele bei dem ein oder andern Fernet kennen.
Die zweite Woche rast noch schneller dahin als die erste. Ich fühle mich schon fast selber wie ein Argentinier. Nach der Arbeit gehen wir Burger essen und spielen Jenga. Ich mache auch kuriose Erfahrungen mit den örtlichen Taxifahrern: Beim plauschen vergaß doch glatt ein Fahrer die Ausfahrt zu nehmen. Für ihn kein Problem, er hielt prompt bei der nächsten Einfahrt auf der Autobahn an und fuhr diese rückwärts heraus. Eine Situation die man in Deutschland wohl eher nicht erleben würde.
Am zweiten Wochenende haben wir doch tatsächlich Glück mit dem Wetter und ich fahre mit Peter und Gabriela in die Hauptstadt Argentiniens, Buenos Aires. Die Stadt empfängt mich dieses Mal mit 18 Grad und Sonnenschein. Auf meinen Wunsch besuchen wir ein Bonsaifachgeschäft in Villa Crespo. Ich kaufe zwei Schalen einer argentinischen Töpferin, anschließend machen wir uns auf den Weg zum Botanischen Garten, der trotz des Winters wunderbar grün war.
Nach einem Pizza Snack ging es weiter über eine sechsspurige Straße in den Japanischen Garten, vorbei an etlichen Hochhäusern die mit Klimaanlagen und Kabeln verziert waren. Gegen Abend fuhren wir mit der Subte Richtung Porto Madero, die Hafencity von Buenos Aires. Nach etwas Sightseeing bahnten wir uns den Weg in den Stadtteil „San Miguel“ wo wir in der ältesten Kneipe der Stadt dem „El Federal“ einen Fernet tranken und Pommes mit Cheddar aßen.
Umgeben von den alten Häusern im Kolonialstil konnte ich etwas von dem Cityflair einatmen, der in dieser Stadt allgegenwärtig ist. Auf meinen Wunsch ging es mit dem Bus weiter zum „Casa Rosado“ und dann zu Fuß zum Obelisken an der „Av. De 9 Julio“ wo sich vor uns eine riesige Straßensperrung auftat und Tausende Leute zur „La noche de la musica“ auf der Straße tanzten und feierten. Als alles vorbei war fuhren wir mit dem Auto in das im Norden gelegene „San Isidro“ wo wir den Abend bei einem Snack ausklingen ließen. Buenos Aires ist definitiv eine Reise wert, wobei ich nur ansatzweise erahnen kann, was diese Stadt noch alles zu bieten hat – doch dafür reichte ein Tag nicht.
Der Sonntag begrüßt uns wieder mit viel Nebel und tristem Wetter. Laut Peter der perfekte Tag um einen Ausflug in das nahe gelegen Naturschutzgebiet zu machen. Der Ranger vor Ort fragt uns, ob wir eventuell Eichhörnchen gesehen haben, denn diese gehören hier nicht her und seien eine große Bedrohung für die örtlich Flora und Fauna. Mit Gummistiefeln und Wathose bewaffnet kämpfen wir uns gut zwei Stunden durch die aufgrund des Regens völlig überschwemmte Natur. Es war eine riesige Freude.
Die letzten Tage stehen an und ich beende alle meine angefangen Arbeiten und fertige weitere Testflächen mit Juan und Jimmy an. Am vorletzten Tag überkommt mich doch tatsächlich Melancholie, denn ich weiß, dass meine Zeit hier dem Ende entgegen geht. Die Kollegen und die Familie sind so herzlich zu mir und wir haben viel Spaß, auch beim nachsingen des Werbespots eines lokalen Matratzenherstellers. Am letzten Tag holen Peter und Gaby mich am Hotel ab und wir fahren zu einem Bäcker der besonders gute „Facturas“ herstellt und ich kaufe zwei Dutzend als Dankeschön für die schöne Zeit mit allen. Ich koloriere noch schnell einen Felsen und dann steht auch wieder Bruno, mein Fahrer, vor dem Tor. Es wird sich verabschiedet und noch ein Gruppenfoto gemacht. Auf der Fahrt zum Flughafen erzähle ich Bruno all das Geschriebene, bin aber trotz Wehmut sehr froh bald endlich meine Tochter und meine Frau wieder zu sehen. Es war eine wirklich sehr schöne Zeit.
Super Bericht, kurz und knackig beschrieben …
Schöner Bericht, war sehr nett zu lesen. Dar ich fragen von wann bis wann die Reise in etwa war?